Maria Montessori – Begründerin der Kinderhäuser
Auch wenn es heutzutage kaum noch verständlich scheint, so ist es noch gar nicht so lange her, dass Erziehung in erster Linie aus Autorität und Drill bestand. Maria Montessori, eine Ärztin aus Italien, entwickelte hingegen ein Erziehungskonzept für den Elementarbereich, das sich bewusst gegen diese gängige Praxis der Disziplinierung stellte. Nach Montessori sollte Erziehung zwanglos erfolgen. Ihre Grundsätze waren Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstständigkeit der Kinder. Bis heute ist die Montessori-Pädagogik weit verbreitet und dient auch neueren Ansätzen als Grundlage.
Warum heißen Montessori Kindergärten oft Kinderhaus?
Noch heute werden Montessori Kindergärten oft als Kinderhaus bezeichnet. Der Ursprung für diesen Namen liegt in einem vom Maria Montessori gegründeten Kinderhaus („Casa dei Bambini“), in dem benachteiligte Kinder der sozialen Unterschicht in einem Armenviertel in Rom ab dem Jahr 1907 betreut wurden. In diesem Kinderhaus konnte Montessori ihre Vorstellung von Bildung und Erziehung erstmals in der Praxis erproben. Und das mit großem Erfolg. In Deutschland wurde das erste Kinderhaus im Jahr 1919 gegründet. Heute gibt es bundesweit nicht nur Montessori Kindergärten, sondern auch Schulen, die Montessoris Leitbild folgen.
„Hilf mir, es selbst zu tun“ –
Das pädagogische Konzept der Montessori Kindergärten
Das Ziel:
Montessori Kindergärten haben das Ziel, die Unabhängigkeit von Kindern zu fördern. Das gelingt nach Montessori nicht durch Lob und Strafe, denn Autorität verletze die Würde der Kinder und erziehe sie zu unselbstständigen Menschen. Vielmehr sollen die Kinder die Möglichkeit haben, selbstbestimmt zu lernen.
Die Einrichtung:
In Montessori Kindergärten sind Einrichtung und Mobiliar an die Größe der Kinder angepasst. Auch Spielmaterialien sind jederzeit greifbar. So können sich die Kinder frei bewegen und können selbstständig und ohne Hilfe Entscheidungen treffen.
Erzieher:
Den pädagogischen Fachkräften in einem Montessori Kindergarten soll die Rolle des Beobachters zukommen. Durch aktive Beobachtung sollen Rückschlüsse auf den Entwicklungsstand und die Bedürfnisse der Kinder gezogen werden. Dabei sollen sich die Pädagogen zurückhaltend, aber aufmerksam verhalten. Dem Kind sollen Freiräume im Spiel gegeben werden, aber gleichzeitig soll Orientierung durch Zuverlässigkeit im Tagesablauf und der persönlichen Beziehung geboten werden. Sie sollen das Kind unterstützen, wo es nötig ist, aber ihm nichts aufzwingen.
Übungen des täglichen Lebens:
Nicht nur in der Schule, sondern auch in den Montessori Kindergärten sollen Kinder im Rahmen der Übungen des täglichen Lebens die Möglichkeit haben, die Welt zu entdecken und Dinge, die im Alltag relevant sind, auszuprobieren. Dazu gehört z. B. das selbstständige Anziehen, Getränke einzugießen oder eine Kerze anzuzünden.
Keine Bestrafung:
Erzieher in einem Montessori Kindergarten sollen sich den Kindern liebevoll zuwenden. Störende Kinder werden nicht bestraft, sondern mit einer alternativen Beschäftigung behutsam von der Gruppe getrennt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich innerlich zu ordnen.
Religion:
Maria Montessoris Arbeit ist spirituell geprägt. Als katholische Christin blieb sie jedoch immer offen für andere Religionen und Weltanschauungen. So ist auch das pädagogische Konzept zu verstehen: Religion in der Erziehung bedeutet demnach, über das Sichtbare hinaus zu denken und den Kontext der Welt und der Individuen zu hinterfragen. Der Mensch wird als Teil eines kosmischen Ganzen betrachtet, und an diesem Plan wirkt jedes Individuum mit. Auch heute legen viele Montessori Kindergärten Wert auf religiöse Erziehung. Die christliche Botschaft soll den Kindern bei der Lebensgestaltung helfen und sie zu verantwortlichen, toleranten und rücksichtsvollen Menschen erziehen. Der Einfluss der Religion ist heute jedoch von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich.
Materialien:
Das von Montessori entwickelte Arbeitsmaterial kommt in den meisten Einrichtungen bis heute zum Einsatz. Dabei sollen die Materialien zum Spielen und Lernen anregen. Die Materialien unterscheiden sich in:
Sinnesmaterial, das die sensorischen Reize anspricht und die Sinneswahrnehmung schult.
Mathematikmaterial, mit dem Kinder das natürliche Interesse an Ordnungen und Strukturen erkunden können.
Sprachmaterial, das Kinder an geschriebene Sprache heranführt.
Material zur kosmischen Erziehung und zu den Übungen des täglichen Lebens.
Das Besondere am Montessori Kindergarten – Pluspunkt oder Nachteil?
Das besondere an Montessori Kindergärten ist das offene Konzept. Jedes Kind kann frei entscheiden, womit es sich beschäftigen will. Für viele bietet dieses Konzept jedoch Anlass für Kritik. Die Kinder könnten machen, was sie wollen und erlebten keine Struktur, so die Vorwürfe. Dadurch wäre der Übergang zu einem strukturierten Schul- oder Berufsalltag für viele kaum oder nur schwer möglich.
Befürworter stellen dem entgegen, dass dies ein falsches Verständnis widerspiegle: Kinder könnten zwar entscheiden, womit sie sich beschäftigen, würden sich dann aber auch wirklich damit beschäftigen, sodass sie lediglich den Zeitpunkt des Lernens selbst bestimmen. Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass zu Zeiten Montessoris die Kreativität keine große Rolle gespielt hat und dieses Thema in ihrer Pädagogik zu kurz komme. Dieses Defizit gleichen jedoch die meisten modernen Einrichtungen durch ein ergänzendes Konzept für Kreativität aus.