Ob Kauffrau, Feuerwehrmann oder Arzt – Kinder lieben Rollenspiele und imitieren dabei nur allzu gerne die Welt der Großen. Dabei tauchen sie fantasievoll in die unterschiedlichsten Situationen und Rollen ein. Wenn euer Kind am Esstisch in den Löffel spricht und im Flur brummend den Regenschirm hinter sich herzieht, macht euch also keine Sorgen! Euer Nachwuchs hat die „Als-ob-Spiele“ entdeckt. Da kann der Esslöffel zum Handy werden und der Regenschirm zum Staubsauger. Bei Rollenspielen werden meist Situationen aus dem Alltag nachgespielt oder Szenen, die kürzlich in der Umwelt beobachtet wurden und die Kleinen beschäftigen. Dabei lernen sie eine ganze Menge. Denn mit Rollenspielen erkundet euer Nachwuchs nicht nur spielerisch die Erwachsenenwelt. Eure Kids machen auch wichtige Erfahrungen, die zur kindlichen Entwicklung einen wertvollen Teil beitragen.
„Heute bin ich …“ – Wie Kinder von Rollenspielen profitieren
Auf dieser Seite
Warum Rollenspiele für die Entwicklung von Kindern so wichtig sind
Rollenspiele bei Kindern in jedem Alter
So fördert ihr Kinder beim Rollenspiel
5 kreative Ideen für Rollenspiele bei Kindern
Rollenspiele für Kinder zu Fasching
Interview mit Dr. Jan-David Freund zu Rollenspiel, Kinder und Fasching
Warum Rollenspiele für die Entwicklung von Kindern so wichtig sind
In Rollenspielen entwickeln Kinder wertvolle soziale, emotionale, kreative und sprachliche Kompetenzen. Rollenspiele haben damit vielfältig positive Effekte auf die Entwicklung der Jüngsten:
Im Rollenspiel können Kinder Handlungsvarianten testen, um Probleme zu lösen und Ereignisse zu verstehen. Kinder verarbeiten in Rollenspielen ihre Ängste und Erlebnisse.
Im Spiel ist alles möglich! Kinder verwandeln sich gern in Supermänner und Superfrauen. Es tut gut, einmal nicht der Kleine, Schwache, Unwissende zu sein. Das gibt Kraft und Mut für das echte Leben und stärkt zudem das Selbstwertgefühl.
Kinder lernen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und die Welt mit anderen Augen zu sehen
Im Rollenspiel mit anderen Kindern stärken eure Sprösslinge ihre Fähigkeiten zu Kommunikation und Interaktion. Denn sie müssen sich gut ausdrücken, auf die anderen eingehen, Konflikte lösen und auch Kompromisse finden. In Zusammenhang mit ihrer Rolle lernen Kinder den Umgang mit Regeln kennen. Sie verstehen im Spiel deren Sinn und halten sie selbst dann ein, wenn sie diese im Alltag nicht befolgen würden.
Ein Rollenspiel bietet eurem Kind eine Plattform, um seine inneren Konflikte auszuleben. Dabei kann es auch das verarbeiten, was als unerwünschtes Verhalten gilt.
Im Rollenspiel können Erfahrungen und Gefühle verarbeitet werden: So probieren eure Kinder aus, wie der Arztbesuch ablaufen wird oder sie spielen den rettenden Feuerwehrmann oder die Feuerwehrfrau, nachdem sie einen Brand beobachtet haben.
Das Entwickeln von immer neuen fantasievollen Rollen und Spielvarianten fördert und beeinflusst die Kreativität. Eine Eigenschaft, die auch als Erwachsener noch von zentraler Bedeutung ist.
Bei Rollenspielen versuchen sich Kinder nicht nur in verschiedenen Rollen. Wenn sie sich fiktive Situationen überlegen und die Handlungen anderer abschätzen, trainieren sie auch ihre Fähigkeit zur Simulation. Und damit die wichtige Fähigkeit zur Abstraktion – eine entscheidende Voraussetzung für intellektuelle Leistungen.
Ihr möchtet mehr zu Rollenspielen und deren Beitrag zur kindlichen Entwicklung erfahren? In unserem Interview mit Dr. Jan-David Freund, Produktmanager im HABA Learning Programm, haben wir das Thema weiter beleuchtet.
Rollenspiele bei Kindern in jedem Alter
Rollenspiele bei Kleinkindern im Kindergarten
Etwa ab dem dritten Lebensjahr beginnen Kleinkinder mit Rollenspielen. Zunächst entwickeln sie einfache Ideen und Geschichten, in denen nicht mehr als zwei Akteure vorkommen. Auch die „Als-ob-Spiele“ sind bei Kleinkindern im frühen Alter sehr beliebt. Dabei zweckentfremden sie alles Mögliche und geben den Dingen – je nachdem was sie gerade brauchen – spezielle Bedeutungen. Der Löffel, der eben noch als Handy diente, kann eine halbe Stunde später zum Pflug werden, mit dem der Bauer das Getreidefeld umackert. Vielleicht habt ihr ein paar Tage vorher einen Ausflug aufs Land gemacht, der bei diesem Spiel nachwirkt. Aus den „Als-ob-Spielen“ entwickeln sich nach und nach die Rollenspiele: Eure Kinder fahren als Mama oder Papa ihre Puppe spazieren oder legen den Teddy schlafen. Während die ganz Kleinen solche Szenen eher allein spielen, entwickeln sich Rollenspiele im Kindergarten- und Vorschulalter zu immer komplexeren Darstellungen mit mehreren Beteiligten. Spätestens mit dem beginnenden vierten Lebensjahr, wenn Kinder mit dem Sprechen angefangen haben, kommen weitere Fähigkeiten für das Rollenspiel hinzu. Sie lernen in diesem Alter, das reale Geschehen vom Rollenspiel zu trennen. Um den fünften Geburtstag herum ist es ihnen dann möglich, ein Spiel von Beginn an zu planen und verschiedene Handlungsstränge zu entwickeln.
Rollenspiele bei Kindern in der Grundschule
Im Grundschulalter bilden sich die Fähigkeiten für das Rollenspiel noch weiter aus. Kinder denken gemeinsam über Spielideen nach und entscheiden, wer mitspielen darf und wer nicht. Neben dem fiktiven Rollenspiel kommt oft auch das darstellende Spiel hinzu. Gefördert wird das mitunter in der Grundschule, in der Kinder von Lehrern dazu ermuntert werden, kleine Stücke auszuarbeiten und aufzuführen. Vielleicht erinnert auch ihr euch noch an eure erste Aufführung auf dem Schulfest vor Publikum?
So fördert ihr Kinder beim Rollenspiel
Da sich Rollenspiele in vielfältiger Weise positiv auf die Entwicklung eurer Kinder auswirken und Teil des natürlichen Lernprozesses sind, solltet ihr als Eltern euer Bestes tun, um euren Nachwuchs bei Rollenspielen aktiv zu unterstützen. Häufig ist dafür gar nicht so viel notwendig. In ihrer Entwicklung finden Kinder ganz von allein in die Welt der Rollenspiele. Eltern dürfen – wenn die Kleinen darum bitten – gern mitspielen und im Kaufladen einkaufen gehen, im Puppentheater den Kasper spielen oder den bösen Angreifer der Ritterburg mimen. Wichtig ist, das Rollenspiel nicht zu unterbinden. Außerdem solltet ihr euren Kindern immer die Regie beim Rollenspiel überlassen. Versucht nicht, euren Kids eine Rolle aufzudrücken. Häufig ist es sehr spannend, zu beobachten, in welche Rollen die Kleinen schlüpfen. Das sagt viel darüber aus, was Kinder in ihrem Alltag beschäftigt. Für großartige Spielideen sorgen passende Requisiten. Hier könnt ihr Kulissen wie Spielzelte, Spielteppiche oder Spielküchen zur Verfügung stellen. Auch eine Truhe mit passender abgelegter Kleidung, Tüchern, Schmuck oder Hüten von Mama und Papa ist eine Fundgrube an Ideen für die Kleinen. Gerade am Anfang werden in das Spiel gerne auch gewöhnliche Alltagsgegenstände mit einbezogen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
5 kreative Ideen für Rollenspiele bei Kindern
Kaufmann/Kauffrau: Der Kaufladen ist ein Klassiker unter den Rollenspielen. Liebend gern stehen die Kleinen hinter der Ladentheke und bieten Eltern oder ihren Freunden die neusten Kleinigkeiten an. Ob Äpfel, Brot oder Zahnpasta – im Kaufmannsladen im Kinderzimmer gibt es fast all das, was die Großen im Supermarkt einkaufen. Natürlich wird am Ende mit der Kasse ordnungsgemäß abgerechnet. Manchmal steht es den Kids auch selbst mehr nach einem Einkauf. Dann schnappen sie sich den Einkaufskorb und packen nach Herzenslust ein. JAKO-O bietet euch tolle Kaufmannsläden mit einer großen Auswahl an Zubehör und Requisiten.
Koch/Köchin: Bei Mama und Papa sehen die Kleinen es jeden Tag – in der Küche wird fleißig gekocht, gebacken und zubereitet. Da Kinder ihren Eltern in der echten Küche noch nicht bei allen Schritten nacheifern können, bietet sich eine Spielküche an. Hier wird der Nachwuchs im Handumdrehen zum Meisterkoch. Und das ganz ohne die Gefahr, dass er sich an scharfen Küchenmessern oder der Herdplatte verletzt. Damit die Köstlichkeiten am Ende auch serviert werden können, darf das dazu passende Geschirr natürlich nicht fehlen.
Familie: Ein beliebtes Rollenspiel ist das „Vater, Mutter, Kind“-Spiel, bei dem das Familienleben nachgeahmt wird. Gerne werden hier Puppen mit einbezogen, die umsorgt und im Puppenwagen herum gefahren werden. Sehr wichtig für dieses Spiel ist häufig auch das Mitwirken von gleichaltrigen Spielkameraden.
Bauarbeiter/in: Bauarbeiter erschaffen großartige Dinge. Zuerst wird mit dem Zollstock vermessen, dann mit der Säge ausgesägt und mit dem Handschrauber an der Werkbank zusammengeschraubt. All das ist auch für die Kleinen möglich – mit Kinderwerkzeugbänken und Spielwerkzeug arbeiten Kinder wie die Großen und fördern ihre Feinmotorik.
Ritter/Prinzessin: Ein Traum in Glitzer und Pink – wer wollte nicht schon einmal Prinzessin sein? Verkleidet mit hübschen Ketten und ausgefallenen Kleidern macht das Prinzessinnen-Dasein besonders viel Spaß. Oder ein tapferer Ritter mit Holzschwert und Helm? Jeder darf alles sein! Lasst euren Kindern bei der Auswahl der Rollen stets die Wahl. Die passende Spielumgebung schaffen entsprechende Spielzelte.
Rollenspiele für Kinder zu Fasching
Ein perfekter Anlass für Rollenspiele und für Verkleidungen ist<LINK> Kinderfasching. Ob kleiner Tiger, mutiger Cowboy oder wilder Pirat – hier haben Kinder die Gelegenheit sich in einer neuen Rolle zu zeigen und zu erfahren. Euer Kind kann sich mit der gespielten Figur identifizieren und Handlungen ableiten, die speziell auf diese Figur zutreffen. Besonders toll an Fasching ist, dass auch die anderen Kinder verkleidet sind und sich so automatisch zahlreiche Varianten für aufregende Rollenspiele ergeben. Bei JAKO-O findet ihr fantasievolle Faschingskostüme für Kinder, die für jeden Geschmack etwas bereithalten. Am besten stöbert ihr gemeinsam mit euren Kids durch unser breites Angebot und lasst euch inspirieren.
Interview mit Dr. Jan-David Freund zu Rollenspiel, Kinder und Fasching
Der studierte Psychologe mit Schwerpunkt im Bereich Entwicklungspsychologie Dr. Jan-David Freund arbeitet bei der HABA-Firmenfamilie als Produktmanager im HABA Learning Programm und in der Redaktion Spiel & Buch.
Was meinen wir, wenn wir bei Kindern von Rollenspiel sprechen?
Dr. J.-D. Freund: Rollenspiel ist im klassischen Sinne eine Mischung oder man könnte sagen eine Spezialform von einem Fantasie- und einem Als-ob-Spiel. Und es ist tatsächlich ein Fachbegriff: „Als-ob-Spiel“. In diesem Wort Fantasie- oder Als-ob-Spiel steckt schon der Kern. Die Kinder benutzen ihre Fantasie und tun, als ob etwas anders wäre. Also z. B., als ob sie eine andere Rolle hätten. Sie spielen z. B. einen Beruf nach, den sie aus der Erwachsenenwelt kennen. Oder sie tun, als wären sie älter, jünger, Großeltern oder sogar ein Tier. Oder sie tun, als ob die Welt anders funktionieren würde. Da wird dann aus einem Teller ein Lenkrad für das Auto oder ein Besen kann nicht nur kehren, sondern auch fliegen.
Was sind die „Klassiker“ beim Rollenspiel?
Dr. J.-D. Freund: Ganz typisch ist es zu imitieren, was man im Alltag beobachtet: das Verhalten der Eltern, Alltagsverhalten, Abläufe im Kindergarten oder Berufe, denen man begegnet – wenn man z. B. mit auf die Post kommt und sieht, wie sich die Personen am Schalter verhalten. Natürlich nehmen Kinder die Welt auch sehr viel über Bilderbücher oder Erzählgeschichten, z. B. in der „Sendung mit der Maus“, wahr. Und wenn sie dort einen Ablauf beobachten, nehmen sie das auf, machen sich ihre eigenen Gedanken dazu, verstehen das auch auf eine ganz andere Art und Weise, als wir das vielleicht verstehen, wenn wir es beobachten. Und dann wollen sie ausprobieren: ‚Wie ist es, wenn ich den Leuten die Pakete bringe. Freuen die sich vielleicht, wenn sie ein Paket von mir bekommen?‘ … Das ist die klassische Form des Rollenspiels.
Spiegeln wir Erwachsenen uns also in den Rollenspielen der Kinder wider?
Dr. J.-D. Freund: Kinder sind Spiegel für die Eltern. Wenn Kinder ein Rollenspiel spielen, entdeckt man manchmal Sachen, die man bei sich selbst nie gesehen hätte und es ist häufig sehr amüsant. Redewendungen wiederzufinden bei den eigenen Kindern, kann unglaublich lustig sein. Aber manchmal merkt man auch: Stimmt, in dieser Situation vertröste ich mein Kind immer und sage: ‚Warte, du bist noch nicht dran. Das geht noch nicht.‘ Hier beobachtet man Kinder darin, dass sie genau das aufgreifen. Und manchmal sind es eben auch peinliche Verhaltensweisen, die sie uns vorspiegeln. Nicht zuletzt deshalb ist ja so eine Grundregel, dass man nicht bei Rot über die Ampel gehen soll, wenn ein Kind in der Nähe ist, weil Kinder sonst lernen: ‚Oh, Erwachsene dürfen das. Das muss was Interessantes sein. Das probiere ich auch mal aus.‘
Warum sind Rollenspiele für unsere Kinder so wichtig? Was erleben und lernen sie dabei?
Dr. J.-D. Freund: Bei fast allen Kindern kann man beobachten, dass sie, wenn sie die Gelegenheit dazu haben, anfangen, Rollenspiele zu machen. Das ist ein ganz alter Lernmechanismus. Kinder versuchen immer, das Erwachsenenleben und die Erwachsenenwelt zu imitieren, um auszuprobieren, wie sie selbst sich darin zurechtfinden würden und welche Rolle sie in der Welt spielen. Und eben auch, um verschiedene Rollen nachempfinden zu können und an die Grenzen zu stoßen. Manchmal merkt man erst, wenn man beispielsweise ausprobiert, etwas zu kochen, was die Schwierigkeiten dabei sind. Kinder sind natürlicherweise immer am Rollen-Spielen. Man muss ihnen ein bisschen Freiraum dafür lassen, dass sie dazu kommen – also nicht alles strukturieren. Aber dann machen Kinder das ganz von alleine. Es ist auch wichtig, dass Kinder Rollen spielen. Denn nur wenn man übt, Perspektiven anderer zu übernehmen, fängt man an, darüber nachzudenken, welche Gedanken, welche Wünsche, welche Vorstellungen andere haben. Und wenn man sich diese Gedanken macht, trainiert man Fähigkeiten, die wirklich unglaublich wichtig sind, um im Leben erfolgreich und glücklich zu sein.
Welche Fähigkeiten – neben der Empathie – beeinflusst das Rollenspiel noch?
J.-D. Freund: Im Rollenspiel müssen Kinder auch immer ihre eigenen Gefühle in eine bestimmte Bahn lenken. Gerade Kindern fällt das manchmal ziemlich schwer. Aber wenn man eine bestimmte Rolle einnehmen möchte, tut man vielleicht auch mal so, als wäre man jetzt wütend über irgendetwas. Das ist dann nur gespielt. Aber diese Art, seine Gefühle anders darzustellen, als sie wirklich sind, auch mal zu lenken und zu sagen: ‚Jetzt bin ich wirklich wütend darüber, dass das passiert ist‘, obwohl das eigentlich nur meine Rolle stört und mich selbst nicht, ist eine ganz schöne Herausforderung und auch eine wichtige Kompetenz. Wir müssen ja, wenn wir erwachsen sind, unsere Gefühle ganz oft unter Kontrolle behalten, dürfen nicht zeigen, wenn wir frustriert sind in manchen Momenten, oder müssen uns konzentrieren können, obwohl wir eigentlich über tausend andere Sachen nachdenken. Dieses Sich-Lenken und Die-eigenen-Gefühle-Einhegen ist eine wichtige Fähigkeit, die Kinder brauchen.
Und natürlich auch das Kommunizieren: Wenn man sich abstimmt, was man gerade spielen möchte, müssen die Kinder erklären können, was sie genau meinen. Das ist ganz schön kompliziert manchmal, wenn irgendetwas im Kopf ist, schießen die Gedanken ins Kraut. Wie bekomme ich das so formuliert, dass der andere das auch versteht? Vielleicht auch: Wie überzeuge ich jemanden, dass das Spiel jetzt in diese Richtung weitergeht? Der andere hat vielleicht den Vorschlag: ‚Wir reparieren jetzt das Auto‘. Und ich sage: ‚Nein, wir sind angekommen. Wir machen jetzt ein Picknick.‘ Hier muss man aushandeln, wie das Spiel weitergeht. Man muss mit besseren Argumenten kommen, damit der andere auch sagt: ‚Okay, wir machen jetzt Picknick.‘ Oder man muss einen Kompromiss finden und sagen: ‚Du reparierst jetzt das Auto und ich bereite solange unser Picknick vor.‘
Alle Fähigkeiten – die Kommunikation, das Aushandeln, die Empathie – all das sind Sachen, die man ja auch in Alltagssituationen braucht. Und die sind in gewisser Weise auch ein Rollenspiel, denn man erfüllt eine Rolle bzw. man ist in einer bestimmten Rolle gegenüber anderen. Da muss man auch all diese Fähigkeiten anwenden, um zu sehen, was haben die anderen für Rollen und wie ist meine Funktion ihnen gegenüber? Kinder sind nicht in der Lage, das zu analysieren. Sie machen das ganz intuitiv und es fällt ihnen umso leichter, je mehr Übung sie darin haben.
Hat das Rollenspiel also nicht nur einen individuellen, sondern auch einen gesellschaftlichen Aspekt?
Dr. J.-D. Freund: Rollenspiel hat sogar viele wichtige gesellschaftliche Aspekte. Zum einen, dass es gewisse Muster weitergibt. Also: Wie verhalten wir uns in manchen Situationen? Man bringt Kindern ja ganz viel gar nicht so explizit bei, dass man sagt: ‚So verhält man sich auf der Post oder in einer bestimmten Situation‘, sondern es wird beobachtet und dann ausprobiert und eingeübt. Fehler, die man im Rollenspiel macht, macht man dann vielleicht in der Wirklichkeit nicht. Dieses ‚Wie funktioniert unsere Gesellschaft eigentlich?‘ ist auf jeden Fall Teil des Rollenspiels. Hier hat man ein gutes Testgelände dafür.
Und die Fähigkeiten, die ansonsten im Rollenspiel gefördert werden, sind natürlich Fähigkeiten, die wir auch sonst im Leben brauchen. Sei es im Privatleben mit den Beziehungen, die wir führen, mit den Wünschen anderer, auf die wir Rücksicht nehmen wollen oder die wir verstehen müssen. Aber eben auch im beruflichen Leben: Da stecken so viele Sachen darin, die man können muss. Wenn das alles anstrengend ist, weil man es nicht wirklich verinnerlicht hat, kann man sich auch nicht so natürlich verhalten und die Dinge entspannt machen. Dann wird alles viel anstrengender.
Es ist besser, wenn man das alles auf eine natürliche Weise gelernt hat. Man ist auch zufriedener im Leben, wenn man diese Sachen aus sich heraus kann, weil man sie sich einfach spielerisch angeeignet hat. Und am Ende profitiert die Gesellschaft natürlich von Individuen, die für sich gut funktionieren, mit anderen gut klarkommen, die so kommunizieren können, dass andere sie genau verstehen, damit man nicht aneinander vorbeiredet. Dann kommt man auch zu besseren Ergebnissen.
Brauchen Kinder Erwachsene beim Rollenspiel oder sind wir eher hinderlich dabei?
Dr. J.-D. Freund: Ich denke, das ist unterschiedlich. Kinder beziehen Erwachsene sehr gerne in Rollenspiele ein. Häufig kommen Kinder auf Erwachsene zu und ordnen den Eltern eine Rolle zu: ‚Du bist Folgendes; du machst das in meinem Spiel …‘ Aber Erwachsene sind oft nicht flexibel genug, weil Kinder sehr schnell zwischen verschiedenen Themenwelten wechseln. Da wird aus der Rakete plötzlich wieder ein Haus und die Eltern kommen gar nicht hinterher. Hier werden Erwachsene auch ein bisschen zur Bremse. Aber das heißt nicht, dass man nicht mal ein bisschen mitspielen kann.
Ich möchte aber auch eine Lanze brechen für alle Eltern, die keine Lust haben, drei Stunden dieselben zwei Sätze immer wiederholen zu müssen, nur weil ihre Kinder meinen: ‚Deine Rolle ist es jetzt, dass du Hallo sagst, das Essen auf den Tisch stellst und erzählst, was wir essen.‘ Das kann sehr langweilig und auch sehr nervig sein. Oder wenn man in einer unbequemen Position über längere Zeit immer wieder das Gleiche machen muss. Für Kinder ist das interessant. Die variieren dann, probieren aus: ‚Wenn ich es ein bisschen anders gestalte, was wird dann daraus?‘ Aber das kann schon ziemlich auf die Nerven gehen. Und ich glaube, von entspannten Eltern profitieren die Kinder dann auch in Phasen, wo es wieder mehr um die Gestaltung durch die Eltern geht.
Kinder untereinander haben da gar nicht so ein großes Problem. Sie sind da sehr flexibel: Wenn die Spielwelt gewechselt wird, wechseln sie einfach mit. Sekundenschnell machen sie das. Man darf ruhig den Mut haben, sich als Erwachsener auch mal rauszuziehen aus dem Spiel und Kinder untereinander spielen zu lassen. Weil sie das sehr gut aufeinander abstimmen können.
Sollten wir Grenzen setzen hinsichtlich Klischees, eingefahrenen Geschlechterrollen oder Gewalt? Oder brauchen Kinder mehr Freiräume und wir alle mehr Gelassenheit?
Dr. J.-D. Freund: Ich würde anregen, dass man manchmal mit einem Ohr dabei ist, was da vor sich geht, wenn Kinder ein Rollenspiel spielen. Einmal, weil es einen spannenden Einblick gibt in das Innenleben, die Beobachtung und die Welt der Kinder. Man bekommt ja nicht alles mit, was die Kinder sehen. Und so merkt man vielleicht: ‚Oh, das klingt aber interessant.‘ Oder: ‚Das klingt vielleicht nicht so gut. Da muss ich mal nachfragen. Was könnte denn da dahinterstehen?‘ Insofern würde ich schon gucken, was die Kinder gerade spielen. Man muss nicht die ganze Zeit dabeibleiben, aber mal ab und zu mit reinhören.
Was Geschlechterklischees angeht: Ich finde, das ist ein schönes Beispiel, wie man über das Spiel der Kinder in eine interessante Diskussion kommen kann. Wenn man beobachtet, die Kinder spielen Mutter, Vater, Kind und da wird dem Vater gesagt: ‚Nein, du darfst das Essen nicht machen. Das muss die Mama machen.‘, ist das eine super Gelegenheit, um nachzufragen oder das ein bisschen anzulockern, dieses Klischee, und zu sagen: ‚Warum darf das der Papa nicht? Denkst du, das ist schlecht? Oder gibt es vielleicht auch Papas, die das Essen machen?‘ Da kann man sehr schön in Themen reinkommen, die sonst vielleicht nicht so viel Platz haben im Alltag. Man kann die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen. Aber das bringt am Ende natürlich nichts, wenn man genau das Gegenteil davon lebt und die Kinder weiter das imitieren, was sie beobachten.
Was wildere Arten des Spiels angeht: Wenn man rauft oder kitzelt – solange alle Spaß dabei haben, muss man da überhaupt nicht dazwischen gehen. Das gehört zum Spiel der Kinder. Aber Gewalt in Spielen sollte man nie unterstützen oder tolerieren. Es gibt da auch andere Theorien, dass Kinder sich ausleben sollen. Aber ich würde sagen: Wir leben eigentlich in einer Gesellschaft, in der Gewalt keinen Platz hat. Es gibt keinen Bereich, in dem wir es befürworten, wenn jemand ernstgemeinte Gewalt ausübt. Kinder probieren auch mal aus: Was passiert, wenn ich jemandem was wegnehme oder ihm eins überziehe. Hier würde ich immer starke Grenzen setzen und im Notfall das Spiel unterbrechen. Das würde ich nicht laufen lassen, sondern den Kindern klar aufzeigen: Das gehört nicht mehr zum Spiel. Da haben nicht mehr alle Spaß. Gewalt wäre für mich eine Grenze und die anderen Sachen kann man als Anlass nehmen, aber man muss sie nicht unterbinden.
Können wir Eltern unseren Kindern ein gutes Umfeld fürs Rollenspiel schaffen?
Dr. J.-D. Freund: Kinder brauchen manchmal einen kleinen Stupser, um in ein Rollenspiel zu finden. Manchmal reicht es aus, den Kindern vorzuschlagen, einen Fantasiespiel zu spielen und dann kommt die Fantasie der Kinder in die Gänge und sie haben ganz tolle Ideen. Das funktioniert tatsächlich eigentlich überall, wenn die Kinder das gewohnt sind. Man muss nur damit anfangen und ihnen aufzeigen: Wie kann man z.B. auch in der Bahn sitzend in ein Fantasiespiel finden. Was könnte man denn hier plötzlich alles machen. Und die Fantasie der Kinder ist grenzenlos, wenn sie erst mal geweckt ist. Aber manchmal brauchen sie diese Initialzündung: ‚Ach stimmt, ich kann ja hier in der Bahn auch spielen, dass wir in Wirklichkeit in einem Raumschiff sitzen.‘ Und dann geht’s schon los …
Und man kann auch Situationen schaffen, wo es für die Kinder leichter ist, hineinzufinden. Hier gehört beispielsweise dazu, dass man Verkleidungssachen zu Hause hat. Das muss nichts Teures sein. Da kann man wirklich alle möglichen Sachen, ausgetragene Klamotten oder was auch immer benutzen. Es findet sich ganz viel. Kinder sind in der Lage, sich alles vorzustellen. Aber man findet schneller ins Spiel, wenn man zumindest ein oder zwei Gegenstände hat, die einen so ein bisschen an die Hand nehmen.
Man kann z.B. auch vorschlagen: ‚Wenn ihr wollt, mache ich euch eine passende Musik zu eurem Spiel an.‘ Auf diese Weise können Kinder sich darin noch mehr ausleben. Es wird vielleicht ein bisschen anstrengend, denn wenn die Themen schnell wechseln, müsste die Musik auch schnell wechseln. Aber es ist zumindest eine Möglichkeit, wie man ihnen einen weiteren Freiraum geben kann.
Darüber hinaus brauchen Kinder einfach Freiräume, Zeiträume, in denen nicht ein strukturiertes Spiel gespielt oder irgendetwas gelernt wird, sondern wo Zeit ist für ein Rollenspiel. Es muss also da auch mal eine Lücke sein, die die Kinder befüllen müssen.
Und ich würde sagen: Andere Kinder sind der beste Gegenpart, denn Rollenspiel ist am Ende immer ein soziales Spiel. Also ist es wichtig, dass man Kindern genug Gelegenheit gibt, mit anderen Kindern zu spielen. Wir hatten jetzt ein Jahr, wo das schwieriger möglich war. Aber ich denke, im Allgemeinen und in der Zukunft ist dieses Kinder-Zusammenbringen, damit sie zusammenspielen können, eine schöne Grundlage fürs Rollenspiel.
Sollten wir Eltern gezielt auf Rollenspiel-Themen lenken?
D. J.-D. Freund: Wenn man beobachtet, dass Kinder im Rollenspiel ein Thema besonders stark aufgreifen, ist das auch immer etwas, was man als Eltern aufgreifen kann. Wenn sich die Kinder z.B. gerade viel mit dem Thema Schule beschäftigen und Schule spielen, kann man auch etwas aus dem Kontext Schule nachspielen. Man könnte fragen: ‚Möchtest du mal Hausaufgaben haben?‘ Das wäre vielleicht etwas, da kommt man als Eltern nicht drauf, weil man nicht so positive Assoziation zu Hausaufgaben hat. Aber wenn das für die Kinder gerade ein wichtiges Thema ist, kann es sehr schön sein, das aufzugreifen und sowas anzubieten. Kinder nehmen das begeistert auf. Es ist eine gute Anregung für Eltern, dass man etwas mit den Kindern macht, was sie gerade wirklich beschäftigt.
Beflügelt Rollenspiel die Fantasie?
Dr. J.-D. Freund: Kinder sind sehr flexibel darin, wie sie ihre Rollenspiele ausgestalten. Sie können in ihrer Fantasie aus einer Sache etwas zaubern, dass hätten Erwachsene nie entdeckt. Das geht weit über das hinaus, was wirklich zu sehen ist und beschränkt sich eben auf die Fantasie.
Ich erinnere mich: Wir hatten für einen Kindergeburtstag eine Reise durch die Zeit geplant. Diese Reise war komplett in der Fantasie und dann landeten wir bei den Dinosauriern. Wir hatten gedacht, dass die Kinder sich an dieser Stelle etwas vorstellen müssen, und überlegten: ‚Wie machen wir das? Wie setzen wir das um, dass die Kinder einen Anhaltspunkt haben für die Welt der Dinosaurier?‘ Uns ist nichts so richtig eingefallen. Also meinten wir, wir sagen einfach: ‚Oh, da ist ein Dinosaurier geflogen.‘ Ab dem Moment, als wir sagten ‚Oh, da ist ein Dinosaurier geflogen‘, explodierte das um uns. Alle Kinder sahen irgendwo Dinosaurier und konnten die haargenau beschreiben. Wir hatten uns vorher Gedanken gemacht, wir könnten das nicht so gestalten für die Kinder. Aber das war völlig unnötig. Die Kinder haben das ausgestaltet. Das hat unsere Vorstellungen bei Weitem übertroffen. Wir mussten sie dann sogar wieder einfangen, weil wir in unserer Reise durch die Zeit auch noch andere Stationen machen und nicht nur bei den Dinosauriern bleiben wollten. Aber die Kinder haben nicht mehr aufgehört, neue, spannende Dinosaurier zu entdecken und uns zu erzählen, was für einer das sein könnte, weil sie ja den ein oder anderen Dinosaurier kannten. Kinder sind ganz groß darin, aus wenig ganz viel zu machen.
Finden Rollenspiele besser drinnen oder draußen statt?
Dr. J.-D. Freund: Rollenspiele funktionieren drinnen eigentlich auch gut. Aber draußen gibt es dann oft noch ganz andere Anregungen. Ich würde Rollenspiele drinnen und draußen sehen. Klar, drinnen kann man sich vielleicht besser verkleiden. Da hat man eine große Auswahl, einen Fundus an Kostümen und kann die schnell wechseln. Aber draußen gibt es dafür die ganzen Naturmaterialien oder die Objekte, die man zu etwas Spannendem verwandeln kann. Naturmaterialien sind weniger stark vorgegeben. Da kommt mehr Eigenes. Wenn man ein fertiges Kostüm hat, schlägt das eigentlich schon vor, was man damit spielt. Ein Dreieckshut kann vielleicht von einem Piraten, einem Admiral, einem Räuber sein und da gibt es vielleicht noch drei oder vier andere Möglichkeiten. Aber irgendwie beschränkt es sich dann doch, was man mit diesem Hut spielt. Man kann natürlich das Kostüm wechseln, aber der Hut selbst ist nicht so offen wie z.B. ein interessant geformter Stein mit einer schönen Musterung oder ein besonderer Stock oder eine Feder, die man draußen findet. Die sind viel offener und es fließt mehr aus der Fantasie der Kinder ins Spiel.
Welche Bedeutung hat Fasching im Kontext Rollenspiel?
Dr. J.-D. Freund: Fasching ist eine Mischung. Wir haben beim Fasching einerseits das klassische Rollenspiel. Es ist ja auch der Ursprung von Fasching, dass man in verschiedene Rollen schlüpft. Dass man die Rollen in der Gesellschaft mal umkehrt und in eine Rolle schlüpft, die man sonst nicht innehat, und schaut: ‚Wie ist die Welt, wenn plötzlich alles Kopf steht?‘ Fasching hat aber auch die Komponente, dass man sich einfach nur verkleidet und bestimmten Traditionen und Ritualen folgt. Das hindert aber niemanden daran, Fasching mit viel Rollenspiel und frei auszuleben und zu den Wurzeln zurückzukehren. Ich würde jeden ermutigen, Fasching mit so viel echtem Rollenspiel wie möglich zu spielen und sich nicht nur aus Tradition zu verkleiden und das war’s dann schon. Man muss es mit Leben füllen, damit man aus Fasching viel ziehen kann.
Was war als Kind Ihre liebste Verkleidung?
Dr. J.-D. Freund: Am häufigsten war ich als Doktor verkleidet und bin mit Arztkoffer und Kittel herumgerannt. Ich hatte sogar einen eigenen Doktornamen, der immer für diese Spiele aufgegriffen wurde. Eine lustige Anekdote: In meinem Vornamen kommen die Vokale a-a-i in der gleichen Reihenfolge vor wie in Salami. Da gab es eine Situation, dass jemand gerufen hat: ‚Wo ist die Salami?‘ Ich hatte die Frage aus dem Nebenzimmer falsch verstanden und geantwortet: ‚Hier bin ich.‘ Danach hatte ich den Spitznamen Doktor Salami weg. Wenn ich das Kostüm anhatte, war ich für die Familie Doktor Salami. Erst hab ich mich darüber geärgert. Aber irgendwann hab ich es angenommen und der Name stand dann sogar auf meinem Kittel. So war das für diese Verkleidung mein Spitzname.
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Bildnachweise
Kleinkind hört mit Stethoskop zu einer Puppe Spielzeug im Bett im Schlafzimmer © natalialeb - stock.adobe.com
Junge spielt mit Holz Puppenhau, dass auf dem Tisch steht © kostikovanata - stock.adobe.com
Vater und Sohn spielen im Park, mit einem Dinosaurier-Kostüm © oneinchpunch - stock.adobe.com