Märchen und Geschichten sind fast so alt wie das Erzählen selbst. In fast jeder Kultur der Welt gibt es Geschichten, in denen Unerklärliches und Zauberhaftes passiert, in denen der rechtschaffene Held vom Bösen bedroht wird – und am Ende natürlich alles gut ausgeht. Das mündliche Erzählen spielt dabei eine fast ebenso große Rolle wie der Inhalt des Märchens: Märchen müssen vorgelesen oder erzählt werden, damit sie ihren Zauber entfalten. Vor allem im Herbst und Winter ist Märchenzeit, wenn Kinder bei Kerzenschein gebannt den Geschichten von Königinnen und Prinzessinnen, Hexen und Zwergen lauschen können. Lest unsere Tipps und Anregungen zum Thema Kindermärchen – vielleicht ist bald mal Zeit für eine Märchenstunde?
Es war einmal … : Kindermärchen zum Zuhören und Mitfiebern
Welche Bedeutung haben Märchen in der heutigen Zeit?
Die ursprüngliche Bedeutung von Märchen
In ihrer ursprünglichen Form wurden Märchen unter Erwachsenen erzählt – als Berichte von Begebenheiten, die sich angeblich wirklich so zugetragen haben sollten. Dabei dienten die Märchen nicht nur der Unterhaltung, während man beisammen saß, sondern festigten auch die Vorstellungen von Moral und dem richtigen Verhalten – im Märchen bekommt schließlich jeder, der Böses tut, seine gerechte Strafe. In einer Zeit, in der Krankheiten oder Missernten oft ein Todesurteil bedeuteten, spendeten Märchen Trost und halfen zudem, das Unerklärliche begreiflich zu machen.
Sind Märchen in der heutigen Zeit überhaupt noch relevant?
Die Vorstellung, dass jedes Problem der Welt sein Ende in einer glücklichen Hochzeit im Königsschloss findet, mag vielen Eltern etwas unrealistisch erscheinen. Aber genau darum geht es schließlich im Märchen – nicht das Gewohnte, sondern das Unerklärliche und Verzauberte macht den Reiz von Märchen aus. Kinder schaffen sich ihre eigenen Bilder zu der Erzählung und finden darin viele Motive wieder, die auch in der heutigen Gesellschaft eine große Rolle spielen: Freundschaft und Zivilcourage, Achtung vor der Natur und „richtiges“ Verhalten unabhängig davon, was die anderen tun. Diese Eigenschaft – die Verbindung des Fantastischen mit dem Alltäglichen – macht Märchen zeitlos für Kinder und Erwachsene.
Grimms Märchen – die bekannteste deutsche Märchensammlung
Grimms Märchen sind jedem im deutschsprachigen Raum und weit darüber hinaus ein Begriff. Bis heute werden die Brüder Jacob Ludwig Grimm (1785–1863) und Wilhelm Karl Grimm (1786–1859) als Schöpfer der Märchen wahrgenommen. Tatsächlich haben sie die Märchen, die sie in ihrer „Sammlung der Kinder- und Hausmärchen“ in drei Bänden zwischen 1812 und 1822 veröffentlichten, jedoch nicht selbst verfasst, sondern mündlich überlieferte Erzählungen akribisch zusammengetragen und niedergeschrieben. Die beiden Brüder beschäftigten sich aber nicht nur mit Märchen sowie deutschen und internationalen Sagengeschichten. Jacob und Wilhelm Grimm waren in erster Linie Sprachwissenschaftler, die wichtige Werke zur Linguistik und zur Entwicklung der deutschen Sprache veröffentlichten. Bis heute werden die Brüder Grimm zu den Begründern der Germanistik, wie sie heute gelehrt wird, gezählt.
Sind Grimms Märchen für Kinder geeignet?
Märchen für Kinder? Erst mit den Brüdern Grimm und ihrer berühmten „Sammlung der Kinder- und Hausmärchen“ wurden die mündlich überlieferten Märchen zu Kindermärchen. Vor dem 18. Jahrhundert wurden sie in erster Linie unter Erwachsenen erzählt. Auch heute zweifeln viele Eltern daran, ob sich Märchen wirklich zum Erzählen für Kinder eignen. Zu schaurig und zu brutal erscheinen viele Szenen: Dem Wolf wird kurzerhand der Bauch aufgeschlitzt und mit Steinen gefüllt, der Prinz, der Rapunzel befreien wollte, sticht sich die Augen an spitzen Dornen aus und irrt jahrelang blind und elend umher – so und ähnlich geht es in den meisten Grimm’schen Märchen zu.
Eigene Vorstellung vom Märchen: Wenn Kinder Märchen hören, dann stellen sie sich die Handlung nicht in realistischen Bildern vor, wie es Erwaschene vielleicht tun würden. Sie erschaffen sich ihre eigene, vom Märchen inspirierte Bilderwelt, in der die vermeintlich schaurigen Details der Erzählung ohne Schrecken sind. Das ist der große Unterschied zwischen mündlich erzählten oder vorgelesenen Märchen zu Märchenfilmen, bei denen die böse Hexe plötzlich sehr realistisch wirkt und vielen Kindern Angst einjagt.
Märchen passen in den Kinder-Alltag:Die Kinder- und Hausmärchen thematisieren nicht nur das Zauberhafte und Unerwartete, sondern auch Gefühle, die jedes Kind kennt: Angst und Ratlosigkeit, Mut; Freude und Erleichterung. Darüber hinaus sind die Geschichten leicht verständlich, weil Gut und Böse in der Regel klar voneinander abgegrenzt sind. Das alles macht die Märchenwelt leicht "greifbar" für Kinder und regt sie an, sich ihr eigenes Bild von einer Geschichte zu machen.
Noch mehr Märchen: Tipps für schöne Kindermärchen
Andersens Märchen: Die Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen sind weltberühmt. Zu den bekanntesten zählen „Däumelinchen“, „Das hässliche Entlein“, „Die kleine Seejungfrau“ und „Die Schneekönigin“.
Russische Märchen: Viele russische Märchen sind mit den legendären Märchenfilmen der DDR bekannt geworden, zum Beispiel „Väterchen Frost“. Russische Märchen haben oft Tiere oder die Natur als Thema.
Fabeln: Die kurzen Tiergeschichten gefallen auch Kindern, die die Moral hinter der Fabel noch nicht vollständig verstehen.
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