Wie unterstütze ich mein Kind beim „Sehenlernen“? Woran liegt es, dass Kinder mitunter offensichtliche Dinge gar nicht wahrzunehmen scheinen, gleichzeitig aber selbst winzige Details sofort bemerken? Häufig hat das nichts mit der Sehfähigkeit von Kindern zu tun, sondern mit der visuellen Wahrnehmung: Kinder müssen erst lernen, die visuellen Reize ihrer Umwelt zu differenzieren. Das Wahrnehmen von visuellen Details wie verschiedene Größen oder Entfernungen ist eine wichtige Grundlage zum Erlernen vieler anderer Fähigkeiten wie Lesen und Schreiben. Die gute Nachricht: Kinder entwickeln ihre visuelle Wahrnehmung im freien Spiel fast „von allein“, zum Beispiel, wenn sie mit farbigen Bauklötzen, Stapelbechern und ähnlichem spielen. Du kannst dein Kind dabei unterstützen und die visuelle Wahrnehmung mit Spielen fördern – wir haben ein paar Tipps für entspannte, spielerische Möglichkeiten der Förderung für dich.
Visuelle Wahrnehmung spielerisch fördern
Was bedeutet visuelle Wahrnehmung?
Sehsinn entwickeln – im ersten Lebensjahr: Wenn Babys auf die Welt kommen, sehen sie noch sehr unscharf und können z. B Farben kaum differenziert wahrnehmen. Im Laufe der ersten Lebensjahre entwickelt sich ihr Sehsinn, bis die Augen schließlich genauso funktionieren wie die eines Erwachsenen. Über diese rein körperliche Entwicklung hinaus müssen Babys und Kleinkinder aber auch erst lernen, bestimmte Details bzw. Unterschiede im Gesehenen zu erkennen, z. B.
Formen
Farben
Größen
Entfernungen
Strukturen/Muster
Bewegungen
Differenzieren und Interpretieren – hauptsächlich zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr: Den Vorgang der Differenzierung zwischen diesen Details bezeichnet man als visuelle Wahrnehmung. Sie ist eine notwendige Voraussetzung, damit wir das, was wir sehen, interpretieren können. Würde z. B. die visuelle Wahrnehmung von Formen oder Strukturen nicht funktionieren, hätten Kinder mit dem Schulbeginn große Schwierigkeiten, Lesen und Schreiben zu lernen. Aber auch das räumliche Bewusstsein kann leiden, wenn die visuelle Wahrnehmung gestört ist. In der Folge haben Kinder Schwierigkeiten, sich in Beziehung zu ihrer Umgebung zu setzen und sind sehr unsicher in ihren Bewegungen.
Visuelle Wahrnehmungsstörung: Wenn du den Verdacht hast, dass die visuelle Wahrnehmung deines Kindes nicht altersgerecht entwickelt ist, solltest du zunächst mit deinem Kinderarzt sprechen und ggf. Hilfe bei einem Ergotherapeuten suchen. Eine gezielte Förderung sollte möglichst frühzeitig anfangen, damit es keine Probleme in der Schule gibt.
Toll für die visuelle Wahrnehmung:
Spiele-Klassiker unserer Kindheit
Viele Spiele bzw. Spielsachen, die die visuelle Wahrnehmung von Kindern besonders effektiv fördern, sind zum Großteil echte Klassiker. Du musst also keine speziellen Spiele kaufen oder neu erlernen, um dein Kind zu fördern – vieles ist bestimmt schon längst im Kinderzimmer vorhanden:
Puzzles: Die verschieden geformten Teile passend zusammenzubringen, um Stück für Stück ein Bild entstehen zu lassen ist nicht nur ein tolle Erfolgserlebnis, es schult auch die Wahrnehmung verschiedener Farben und Formen, achte auf altersgerechte Puzzles, um Frust zu vermeiden.
Duplo und Lego: Die bunten Steinchen sind mittlerweile in unüberschaubarer Vielfalt zu haben. Gerade das macht sie so wertvoll für die Entwicklung der visuelen Wahrnehmung: groß und klein, quadratisch, länglich oder halbrund, in vielen Farben und immer wieder anders kombinierbar - Duplo- und Legosteine werden nie langweilig.
Memory: Viele Kinder begreifen schon ab etwa drei Jahren das Prinzip von Memory und spielen es mit großer Gegeisterung. Die Motive der Karten kombinieren Farben und Formen, das Merken und die Wiedererkennung schult effektiv die visuelle Wahrnehmung. Als schöner Nebeneffekt ein Gemeinschaftsspiel, das mit drei oder vier Personen noch mehr Spaß macht.
Kneten: Nicht alle Eltern schätzen Knete, weil sie allzu oft im Teppich landet oder auf dem Basteltisch vertrocknet. allderdings ist Knete auch wunderbar geeignet, um deinem Kind verschiedene Formen und Größenbeziehungen zu vermitteln. Bestimmte Figuren selbst zu gestalten, ist für viele Kinder eine Herausforderung mit großem Lerneffekt.
Vorschulhefte: Vorschulhefte, die es zum Beispiel im Schreibwarenladen zu kaufen gibt, bieten verschiedene spielerische Übungen zur visuellen Wahrnehmung, zum Beispiel Labyrinthe, durch die der richtige Weg hindurchgezeichnet werden muss oder Aufgaben, bei denen fehlende oder überzählige Gegensände gefunden werden müssen.
Alternativen für den Alltag
Auch im Alltag kannst du „nebenher“ die visuelle Wahrnehmung deines Kindes fördern.
Zeit nehmen: 15 bis 30 Minuten gemeinsames Spielen täglich reichen schon aus – nimm dir diese Zeit, um bewusst mit deinem Kind eine Runde zu spielen.
"Ich sehe was, was du nicht siehst": Auf Bahn- oder Autofahrten beliebt ist das Spiel, bei dem Gegenstände einer bestimmten Farbe gefunden werden müssen.
Nach dem Essen kannst du eine Runde „Was fehlt?“ einschieben: Dein Kind muss die Augen schließen und du entfernst einen Gegenstand vom Tisch, z. B. den Trinkbecher. Dein Kind darf die Augen öffnen und muss raten, was fehlt.
Natur in Ordnung: Beim Spazierengehen kannst du verschiedene Gegenstände wie Steine, Stöcke, Blätter sammeln und diese gemeinsam ordnen – nach Farben, Form oder Größe, für ältere Kinder auch nach Helligkeit oder Struktur.